Berlin/Brüssel, 13. Dezember 2023. Wegen unterschiedlicher Positionen innerhalb der Ampel-Koalition wird sich Deutschland bei den abschließenden Verhandlungen in Brüssel über die Verordnung zu Verpackungen und Verpackungsabfällen voraussichtlich enthalten. Nach übereinstimmenden Informationen aus der Bundesregierung konnten sich deren zuständige Ressorts bisher nicht auf eine gemeinsame Linie zur „Packaging and Packaging Waste Regulation“ (PPWR) verständigen, die Mitte Dezember vom EU-Ministerrat auf den Weg gebracht werden soll. Mit der für alle 27 Mitgliedstaaten verbindlichen Verordnung will die EU die wachsende Flut des Verpackungsmülls in Europa eindämmen sowie die Kreislaufwirtschaft stärken, dabei aber eine bürokratische, für Getränkemehrwegsysteme schädliche und nicht umsetzbare Normierung vornehmen.
Die Verbände der deutschen Getränkewirtschaft, die für europaweit einmalige Kreislaufsysteme von Mehrwegverpackungen stehen, fordern deshalb von der Bundesregierung, sich geschlossen und aktiv in die Verhandlungen auf EU-Ebene einzubringen und ihr in der Fragestunde des Bundestages am 18. Oktober abgegebenes Versprechen einzulösen, den umfassenden Schutz bestehender Mehrwegsysteme zu garantieren. „Bitte lassen Sie nicht zu, dass die umweltfreundlichen Kreislaufsysteme in Deutschland, die bereits heute zahlreiche geplante EU-Vorgaben erfüllen und übertreffen, am Ende durch eine untaugliche Regulierung gefährdet oder gar in Teilen zerstört werden – etwa indem überflüssige Verwaltungsauflagen oder nicht umsetzbare Kennzeichnungsvorgaben eingeführt werden“, lautet der Appell der Verbände. „Ziel der EU-Verordnung ist es, Mehrweg zu stärken und den Ressourcenverbrauch zu senken. Es wäre ein Armutszeugnis, wenn Deutschland als größte Industrienation bei den Beratungen über das derzeit wichtigste Umweltprojekt der EU untätig an der Seitenlinie steht – und deshalb das größte Mehrwegsystem Europas am Ende schweren Schaden nimmt“, heißt es in einer Erklärung der Verbände. „Wenn es die Ampel ernst meint mit dem Umweltschutz, muss sie sich am Brüsseler Verhandlungstisch aktiv dafür einsetzen, dass die erfolgreichen Mehrwegsysteme in Deutschland so wie bisher weitergeführt werden können – ohne zusätzliche bürokratische Vorgaben.“
In Deutschland hatten Brauereien und Mineralbrunnen schon vor 120 Jahren damit begonnen, eigene Mehrwegsysteme aufzubauen, die bis heute bestehen. Rund 1.500 überwiegend handwerkliche und mittelständische Brauereien und rund 600 Hersteller von alkoholfreien Getränken in Deutschland haben aktuell mehr als fünf Milliarden Mehrwegpfandflaschen im Umlauf. Gemeinsam mit dem Groß- und Fachhandel betreiben sie ein nachhaltiges und weltweit als vorbildlich anerkanntes Kreislaufsystem. Ausgerechnet solche bewährten umweltfreundlichen Systeme im Bereich der mittelständisch geprägten Getränkewirtschaft würden nun durch bürokratische und technisch nicht umsetzbare Vorgaben der PPWR massiv gefährdet – nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Staaten Europas. Und dies, obwohl das erklärte Ziel der EU-Verordnung eigentlich eine Stärkung von Mehrweg ist.
Brauereien, Brunnen und andere Betriebe der Getränkewirtschaft weisen seit Monaten auf überbordende Auflagen und enorme Kosten hin, die mit der PPWR verbunden sind, weil der Verordnungsentwurf die Gegebenheiten bereits bestehender Systeme nicht berücksichtigt. Obwohl deutsche Mehrwegpools die von der EU geplanten Zielquoten schon heute um ein Mehrfaches übererfüllen, müssten sie, sofern überhaupt möglich, mit immensem Aufwand an die neuen Regelungen angepasst werden – ohne jeglichen Mehrwert für ihre Nachhaltigkeit oder Effizienz. Neben Vorgaben, die sich bei bestehenden Systemen nur äußerst schwer umsetzen lassen, wie die überflüssigen und teuren Kennzeichnungspflichten oder starren und unpraktikablen Regeln zum System-Management, wurde zum Beispiel ein aufwändiges Konformitätsverfahren mit technischen Dokumentationspflichten für Verpackungen geplant, dessen Anforderungen erst später über einen delegierten Rechtsakt festgelegt werden sollen. „Es ist völlig unklar, ob die Milliarden bereits in Umlauf befindlichen Mehrwegflaschen diesen neuen Anforderungen entsprechen“, warnen die Verbände. „Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie ihren Einfluss nutzt und nicht tatenlos zusieht, wie erfolgreiche Strukturen im Mittelstand zerschlagen werden, die noch im Juni dieses Jahres von der EU-Kommission als vorbildlich bezeichnet wurden.“
Eine Vielzahl der vorgesehenen Regelungen gehe vollkommen an der Realität nicht nur bestehender, sondern auch neu entstehender Mehrwegsysteme vorbei. Deutschland müsse sich deshalb im Rat dafür einsetzen, die Verordnung umfassend zu überholen, anstatt mit den Händen in den Hosentaschen daneben zu stehen, fordern die Verbände. Mindestens aber müssten erfolgreich etablierte und funktionierende Mehrwegsysteme in den Ländern Europas durch einen garantierten unbefristeten Bestandsschutz gesichert werden.
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